Donnerstag, 14. Juni 2007

Stoffe, zu schön für einen Sommer

Wer nach einem originellen Outfit für den diesjährigen Sommer Ausschau hält, der sollte nach Altona, in einen der zahlreichen Afro-Shops, gehen. Die buntbedruckten Stoffe, luftigen Hemden und Kleider die es dort gibt, sind der Eyecatcher par excellence, den keine langweilige Mainstream- und Mass Market-Boutique in der Innenstadt bieten kann. Und entgegen der blutleeren Absichtserklärungen der G8-Oberen, sie würden in Zukunft auch die afrikanische Wirtschaft am globalen Markt teilhaben lassen, kann jeder im Afro-Shop direkt und ganz praktisch die akrikanische Ökonomie ankurbeln, denn die Stoffe und Klamotten kommen alle aus Afrika. So kann jeder, ganz unkompliziert, dazu beitragen, dass die Textilwirtschaft in Westafrika sich weiterentwickelt und an internationalem Terrain gewinnt.


Der Schneiderberuf ist in Ghana, Senegal und Nigeria ein ehrbares Gewerbe, das vor Kreativität nur so strotzt. Der Einfallsreichtum der bezahlbaren Couturiers ist grenzenlos, was die modebewußten Frauen sehr zu schätzen wissen. Sie bringen ihren Stoff zu einem der vielen Schneider und besprechen mit ihm, welches Modell am geeignetsten ist und wie Farbe und Motivdruck am besten zur Geltung kommen. Jedes Kleid wird individuell gefertigt und ist ganz auf die Person im wahrsten Sinne des Wortes zugeschnitten. Eine aufwendige Angelegenheit, die viel Fingerspitzengefühl erfordert.
Denn Stoffkauf ist eine Wissenschaft für sich. Aus dem bedruckten Tuch wird nicht einfach ein Kleidungsstück hergestellt, sondern ein Symbol, das den sozialen Status die Trägerin repräsentiert. So trägt zum Beispiel eine Frau nach ihrer Heirat andere Schnitte und Motive als sie zuvor getragen hat. Wenn sie Mutter geworden ist, ändert sich ihre Garderobe erneut. Die wunderschöne Kombination trois piecès, deren engtaillierter Rock an einen Fischschwanz erinnert und auch auf Hamburger Strassen oft zu sehen ist, wird von jungen, verheirateten Frauen getragen. Kräftige Farben und riesige Muster unterstreichen das selbstbewußte Auftreten der aparten Damen, die jedes westliche Modell vergessen lassen.

Allerdings hat die individuelle Herstellung auch Nachteile, denn Schnittmuster, wie wir sie kennen, nach denen man nähen kann, existieren so gut wie gar nicht. Erst langsam wird den afrikanischen Schneidern bewußt, dass sich ein europäischer Markt erschließen läßt, wenn man etwas von der Individualität abgeht und zur konfektionellen Herstellung übergeht. Alles braucht eben seine Zeit. Solange müssen die Europäerinnen eben noch warten – oder, was viel besser ist, sich im Afro-Shop oder bei Afrikanerinnen Rat holen. Wenn das nicht klappt, gibt es auch bereits fertiggenähte Hemden, die eigentlich für Männer gemacht sind, aber von Europäern beiderlei Geschlechts gut getragen werden können.