Mittwoch, 6. Juni 2007

Schimmelmann setzt Schimmel an

Bürgern, die sich um ihre Stadt verdient gemacht haben, setzt man gerne ein Denkmal. Besonders solchen, deren Engagement sich in klingender Münze messen läßt. Dieser Grundsatz gilt heute wie vor 200 Jahren. Nach Ansicht einiger Hamburger Politiker und Initiatoren ist Heinrich Carl Graf von Schimmelmann ein solcher ehrbarer Bürger, der maßgeblich am Aufstieg und Wohlstand des Hamburger Stadtteil Wandsbek beteiligt war. Also stellte man zum Gedenken an den "verdienstvollen Geschäftsman" im Herbst 2006 eine Büste auf, nahe des Wandsbeker Marktes, lauschig positioniert unter Bäumen. Dass es sich bei dem Grafen um einen Kolonialherren, Kriegsgewinnler und Rassisten übelster Sorte handelt, ist anscheinend unerheblich. Schließlich liegt die Sache ja schon lange Zeit zurück.

In den 1750er Jahren gelingt es dem gewieften Mecklemburger Kaufmann Schimmelmann, dem hochverschuldeten dänischen Königshaus eine Geldanleihe von ca. 1 Million Reichtaler zukommen zu lassen. Als Anerkennung wird ihm die dänische Staatsangehörigkeit verliehen, wenig später ernennt ihn der König zum Schatzkanzler. Schimmelmann zieht nach Hamburg, errichtet nahe des Michels ein Stadtpalais, kauft 1759 das Schloß Ahrensburg und richtet sich ein Handelskontor in Kopenhagen ein. Es ist die Blütezeit des Kolonialhandels zwischen Europa, Afrika, Süd- und Mittelamerika. Geschäftsleute, die es verstehen Waren- und Transportwege kostengünstig miteinander zu verbinden und außerdem preiswerte Arbeitskräfte beschaffen, erwirtschaften ein Vermögen. Als internationale Hafenstadt bietet Hamburg dabei enorme „Standortvorteile“.
Zum damaligen Zeitpunkt ist auch Dänemark Kolonialmacht und im Besitz der karibischen Jungferninseln, auf denen sich lukrative Zuckerrohrplantagen befinden. Als guter Geschäftsmann wittert Schimmelmann seine Chance. In den Wandsbeker Textilfabriken, die er eigens zur Verarbeitung von Baumwolle hier angesiedelt hat, stellen Billigarbeiter das sogenannte „Negertuch“ her, das der Graf, zusammen mit Branntwein aus Ahrensburg und Waffen aus Hellebek, Richtung Westafrika verschiffen läßt. Dort werden die Waren gegen Sklaven eingetauscht, die wiederum in die Karibik, auf die Jungfraueninseln verfrachtet werden, um dort auf den Schimmelmann-Plantagen Zuckerrohr zu ernten. Mit 1000 Sklaven ist Schimmelmann der größte Plantagenbetreiber im dänischen Kolonialreich. Damit es zu keinen Irrtümern über die Besitzverhältnisse der Sklaven kommt, werden sie mit einem „S“ gebrandmarkt. Das Zuckerrohr wird nach Hamburg gebracht, wo es weiterverarbeitet wird. Ein mehr als einträgliches Geschäft für alle Beteiligten – nur nicht für die vielen tausend Afrikaner, die auf den Plantagen bis zum Tode schuften mußten.

In Wandsbek baut sich der Herr Graf derweil ein Schloß, dessen Überreste noch heute zu besichtigen sind. Damit dort auch Hauspersonal zur Stelle ist, bringt er dann und wann Waisenkinder von den Plantagen mit nach Hamburg, die als Hausdiener, Gärtner oder Koch für die Familie Schimmelmann arbeiten – unentgeltlich versteht sich. Schließlich werden sie in die zivilisierte Welt eingeführt, das muß als Lohn genügen. 1790 setzt man dem verstorbenen Verdienstvollen mit einem klassizistischen Kuppelbau, der als Mausoleum dient, ein Ehrenmal. Die Totenstätte liegt immer noch idyllisch in einem kleinen Park, versteckt hinter Tannen, unweit des Wandsbeker Markts. Eine erläuternde Geschichtstafel sucht man vergeblich – damals wie heute.
Wer allerdings glaubt, die Wandsbeker von heute wären mit der gleichen historischen Blindheit geschlagen, wie ihre gewählten politischen Vertreter, der irrt. Folgende Begebenheit mag dies beweisen. Nachdem ich die neuaufgestellte Büste besichtigt habe, frage ich einen Passanten, wo sich denn das Mausoleum für den Grafen Schimmelmann befinde. Und sofort platzt es aus dem Mittvierziger heraus: „Oh, das war ein ganz schlimmer Mann. Dem hätte man keine Büste schenken sollen. Der hat üble Sachen gemacht, auch wenn sie schon so lange her sind“. Es bleibt also noch viel zu tun in Wandsbek - und Hamburg. Auch wenn es schon so lange her ist.
Wer mehr über die koloniale Vergangenheit Hamburgs verfahren möchte, dem sei das aufschlußreiche und spannende Buch Branntwein, Bibeln und Bananen – Der deutsche Kolonialismus in Afrika – Eine Spurensuche in Hamburg empfohlen, das der engagierte Geschäftsführer des Eine Welt Netzwerk e.V., Heiko Möhle, herausgegeben hat. Regelmässig macht er auch Stadtführungen im Rahmen des Statt Reisen-Programms, Infos unter www.stattreisen-hamburg.de und www.ewnw-hamburg.de