Sonntag, 10. Dezember 2006

Afro-Shop im Grindel

Hamburgs Grindelviertel lebt durch seine vielfältigen Lädchen und einfallsreichen Ladenbesitzer. Filialisierte Ödnis ist hier, Gott sei Dank, (noch) ein Fremdwort. Bekannt ist das Quartier, nahe der Uni, für sein junges Publikum, sein legendäres Abaton-Kino, die Pony-Bar und das italienische Eiscafé mit konkurrenzlos leckeren Eissorten, um nur einige Attraktionen zu nennen. Trotz der Lässigkeit ist das ehemals jüdische Viertel eher ein Pflaster für gehobene Einkommen, wirft man einen Blick in den Mietspiegel. Für klamme Geldbeutel, notorisch Wenigverdiener und Dauer-Praktikanten ist hier nur schwerlich bezahlbarer Wohnraum zu finden. Die großzügig geschnittenen Etagenwohnungen ermöglichen allerdings, dass sich Wohngemeinschaften und Gleichgesinnte zusammenfinden und sich die Miete teilen. Die Zahl der Einwanderer und ihrer ethnischen Läden ist im Grindel jedoch gering. Erst langsam beginnen sie, das Viertel für sich zu entdecken. Als Vorreiter darf mit Sicherheit der Afro-Beauty-Shop auf der Grindelallee gelten, der durch sein originell gestaltetes Firmenlogo die Blicke sofort auf sich zieht.

In direkter Nachbarschaft zu einer Bäckerei und einem Zeitungskiosk, wirkt er durch seine weißgetünchten Schaufensterrahmen, seine auffällige in Rot gehaltene Werbeschrift Afro-Beauty-Shop und die große Fensterfront, in der sich ungewohnte Waren präsentieren, zunächst wie ein Ufo von einem anderen Stern. Was um alles in der Welt macht ein Afro-Shop im Grindelviertel? Wer kauft hier ein? Und was? Das Angebot des neueröffneten Ladens an frischen Lebensmitteln, an Obst und Gemüse befindet sich noch im Aufbau. Es gibt Maniok-Mehl, Reis, Kasawa-Wurzeln, Kochbananen, Erdnuss-Saucen, scharfe Gewürzmischungen aus Pfeffer und Kardamom und die beliebte Yam-Wurzel, vergleichbar mit der europäischen Kartoffel. Vor allem die Haarpflegeutensilien werden nachgefragt – auch von vielen „eingeborenen Grindelern“. Diese scheinen den Afro-Shop bereits in ihren Einkaufsfahrplan eingeschlossen zu haben, wie die folgende Begebenheit vermuten läßt.


Um eine Fotoerlaubnis zu bekommen, erzählte ich dem Ladenbesitzer von meiner Absicht, ein Buch über ethnische Geschäfte in Hamburg machen zu wollen. „Yes, of course. You can take as many pictures as you like“, bekam ich bereitwillig zur Antwort. Draußen auf der Strasse sprach mich eine Kundin an, die das Gespräch mitbekommen hatte, während sie ihre Einkäufe bezahlte. „Sie machen aber nichts Schlechtes über den Laden, oder?“, ging sie vorsichtig auf mich zu. „Dann müßte ich nämlich jetzt intervenieren“. Ich erklärte ihr meine Beweggründe für die Fotos. „Die sind hier so nett und geben sich so viel Mühe. Ich und meine Bekannten kaufen hier immer ein“, verteidigte sie den Shop. „Es wird viel zu wenig darüber berichet!“. Als ich ihr dann sagte, dass ein Fotobuch über Hamburgs Ethno-Shops entstehen soll, war sie Feuer und Flamme. „Das würde mich ja freuen. Endlich mal was Anderes über die Einwanderer in Hamburg! Oh, wäre das toll!“. Ob sie das Buch Hamburg Oriental Style eines Tages in den Händen halten wird, liegt auch an den Hamburger Verlagen, Medienmacher, Redakteuren und Journalisten, die Hamburg genauso gerne „anders sehen“ und erleben wie die Kundin des Afro-Beauty-Shops im Grindel.